Alltag in Kleinberge (ca. 1975)
Morgens hängt Nebel über den Feldern. Ein rostiger VW-Käfer knattert über das Kopfsteinpflaster, vorbei an bröckelnden Fassaden. Die Straßen sind fast leer. Ab und zu ein Radfahrer, eine ältere Dame mit Einkaufstasche.
Im kleinen Kolonialwarenladen stehen zwei Kunden. Frisches Brot gibt es nur mittwochs. Der Bäcker backt noch selbst, sein Ofen ist alt, die Brötchen knusprig. Nebenan ist der Friseur, ein winziger Laden mit vergilbten Gardinen. Der Dorfarzt wohnt über der Praxis, seine Türklingel klemmt manchmal.
Mittags hört man Kinderrufe aus dem Schulgarten. Ein paar Jungen kicken auf einer Wiese, der Ball ist geflickt. Mädchen springen Seil oder kritzeln mit Kreide auf den Gehweg. Aus einer alten Werkstatt hinter den Gärten dringen metallische Geräusche.
Am Nachmittag wird auf der Straße geplaudert. Das Leben in Kleinberge ist langsam, aber friedlich. Jemand hämmert an einem Zaun, ein anderer repariert sein Fahrrad.
Abends leuchten die Fenster der Häuser matt. Katzen schleichen durch die Höfe. Aus der Kneipe dringen Stimmen nach draußen. Ein Hund schläft unter dem Stammtisch. Gespräche über Ernten, alte Geschichten, manchmal Politik.
Später, als es still wird, hört man den Wind in den Pappeln. Die Straßen bleiben leer, nur der Käfer steht noch da. Rost frisst sich weiter durchs Blech. Trotz allem – Kleinberge ist Heimat.
Bericht des Reisenden Karl Ingoldstädter.